go

16.03.–24.06.2019

go - Arbeiten ohne Titel 2019 · photo: Benjamin Knoblauch
go - Arbeiten ohne Titel 2019 · photo: Kriz Olbricht
go - Arbeiten ohne Titel 2019 · photo: Benjamin Knoblauch

Tusche, Acryl, Baumwollgewebe, gehängt, getackert · 16.03.–24.06.2019 · 640 x 361 x 555 cm · photos: Benjamin Knoblauch, Kriz Olbricht

Ink, acrylic, cotton fabric, hung, stapled · 16.03.–24.06.2019 · 640 x 361 x 555 cm · photos: Benjamin Knoblauch, Kriz Olbricht

„Von der Decke hängen Stoffbahnen in unterschiedlicher Breite, die mit Farbe bemalt, bedruckt oder durchtränkt sind. Mal ist die Farbe dick auf die Leinwand aufgetragen, mal hängen die Stoffbahnen filigran von der Decke und die Farbe ist dezent gesetzt. Viele der Bildbahnen sind vollflächig gefärbt, mit geometrischen Elementen wie Rechtecken, Linien, aber auch Spuren des Malerei-Prozesses versehen oder zeigen Leerstellen, an denen das Weiß des Gewebes als eigenständige Farbe bestehen bleibt. Die Farbbahnen sind unterschiedlich lang, manche liegen auf dem Boden auf, versteift durch den Farbauftrag, andere schweben von der Decke und bewegen sich im Luftzug. Auch die Positionierung der herabhängenden Leinwände folgt keinem erkennbaren Muster, sondern scheint willkürlich gewählt. Dabei ist die Anordnung und Komposition der einzelnen Farbbahnen eine Folge der in situ Arbeitsweise der Künstlerin. Der Ausstellungsraum wird zum Atelier umfunktioniert: Form- und Farbgebung entstehen erst vor Ort und entwickeln sich zum eigenständigen, temporären Bildraum.
Um die Installation von Anna Schütten in Gänze zu erfassen, werden die Betrachter*innen eingeladen, das Bild zu erlaufen und sich im Raum zu bewegen. Beim Bewegen durch die Installation ergeben sich wechselnde Blickwinkel, die immer wieder neue Form- und Farbkombinationen generieren. Aus Farbflächen werden Linien und erschließen sich auf Grund der veränderten Perspektive wieder zu Flächen. Es entsteht ein Spiel aus Zwei- und Dreidimensionalität. Der Bildraum wird ständig neu und individuell wahrgenommen. Es ist nicht das eine Bild oder die eine Blickachse, die hier von Bedeutung ist. Es sind viele, sich kontinuierlich verändernde Bilder, die die Betrachtenden eigenständig durch ihre Bewegung hervorrufen. Der Ausstellungstitel Go ist also nicht nur Beschreibung, sondern auch Aufforderung an die Besucher*innen, sich den Raum durch das Umhergehen zu erschließen. Mit der Bewegung im Raum fügt die Künstlerin die vierte Dimension, die Zeit, hinzu, wodurch ein Hyperraum entsteht. Die Seherfahrung wird durch die körperliche Erfahrung des Bewegens ergänzt. Die Betrachter*innen müssen sich aus ihrer passiven Rolle in eine aktive begeben, um die Bildräume zu erfassen. Durch die Kombination der Farben, Flächen und Bewegung des Blicks werden Details sichtbar, neue individuelle Bildräume entstehen, die zugleich bei der nächsten Bewegung wieder verschwinden. Anders als in der Musik ist das Kunstwerk jedoch nicht ephemer, sondern bleibt bestehen. Nur die einzelnen Bilderfahrungen sind einer ständigen Veränderung unterworfen.
Anna Schütten geht in ihrer Installation der Frage nach, ob Farbe als physischer Körper im Raum erfahrbar ist. Die Betrachter*innen befinden sich nicht vor einem statischen, zweidimensionalen Bild, sondern mitten im Bild selbst. Die Horizontale und Vertikale verbinden sich zu einer vierdimensionalen Arbeit, in dem die Betrachter*innen sie aktiv durchschreiten.“ Madeleine Frey